Das Projekt
[I. Technische Infrastruktur]
[II. Barrierefreiheit, Nachteilsausgleich]
[III. Schlüsselqualifikationen]
[IV. Arbeitsleben und Beruf]
GRÜNDUNG EINER EINRICHTUNG
FÜR SEHBEHINDERTE
UND BLINDE STUDIERENDE
FÜR DEN RAUM
ERLANGEN/NÜRNBERG/(NORDBAYERN)
in Trägerschaft des Zentralinstituts für Wissenschaftsreflexion
und Schlüsselqualifikationen
(Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg)
Zusammenfassung
Blinde und sehbehinderte Menschen sind im Hochschulalltag eine nicht sehr auffällige Gruppe. Dennoch müssen die Universitäten auf deren Bedürfnisse eingehen. Die Verpflichtung besteht darin, möglichst gleiche Chancen für alle zu schaffen.
Das Konzept schlägt eine Einrichtung für sehgeschädigte Studierende vor.
Einzelne Maßnahmen für sehgeschädigte Studierende gibt es, außer an der Universität Marburg, der TH Mittelhessen, DoBuS der Technischen Universität Dortmund und der Universität Karlsruhe nur in eher lockeren Konzepten. Außerhalb des Sonderfalls Marburg lässt sich aus ihnen ein Mindeststandard für die konzeptionell verdichtete Betreuung ableiten, der
- die technische Infrastruktur,
- die Barrierefreiheit mit Nachteilsausgleich (organisatorisch, verwaltungstechnisch),
- Erwerb von Schlüsselqualifikationen und
- Unterstützung auf dem Weg ins Arbeitsleben
umfasst. Punkt (1) und (2) sind am Bedarf ausgerichtet. Der Aspekt „Schlüsselqualifikation für Sehgeschädigte“ ist ein potenzielles Alleinstellungsmerkmal für die bayerische Hochschullandschaft. Angesichts der Gruppengröße kann die Betreuung individuell genau erfolgen.
Das Konzept schlägt die Federführung des Zentralinstituts für Wissenschaftsreflexion und Schlüsselqualifikationen für den Bereich Schlüsselqualifikation vor. Das Institut konzentriert sich auf Schlüsselqualifikation bzw. Integration (Punkte 3 und 4) und wird beratend tätig in Fragen von Infrastrukturen. Die Zusammenarbeit der Einrichtung mit den Fortbildungszentren der Hochschulen, den Behindertenbeauftragten und mit externen Sachverständigen und Verbänden wird gewährleistet. Schwerpunkte der Betreuung betreffen die Mindeststandards und die Bedürfnisse der Studierenden. Die Einrichtung sucht jene Fähigkeiten den Betroffenen nahezubringen, die sie objektiv benötigen: Schlüsselqualifikationen für Blinde und Sehbehinderte gilt es vor allem in der Medienkompetenz zu vermitteln, dann in der Methoden- und sozialen Kompetenz (falls gewünscht auch in der Selbstkompetenz).
Die Betreuung soll einen wissenschaftlichen Mehrwert erbringen, durch themenbezogene Arbeiten (Examen, Dissertation) und modellhaft barrierefreie Veranstaltungen im studium generale. Somit sei die Einrichtung auch als Aspekt der Öffentlichkeitsarbeit wahrgenommen. Die Gestaltung eigener Webseiten ist unerlässlich.
Zum Wintersemester 2011/12 wurden erste Module, noch ohne organisatorischen Rahmen oder Kooperation mit anderen Hochschulen angeboten.
I. Technische Infrastruktur
Die Universitätsbibliothek der FAU verfügt über Kopiergeräte mit E-Mail-Versandfunktion (statt Ausdruck auf Papier). Ferner stehen Kamera-Scanner mit Monitor und Ausgabemöglichkeit auf ein USB-Speichermedium zur Verfügung. Bücher können bis zum Format DIN A 2 zügig gescannt und in das Format PDF auf den USB-Anschluss ausgegeben werden. Der Scanvorgang für eine (Doppel)seite beträgt weniger als 10 Sekunden. Damit könnte ein Buch von etwa 300 Seiten binnen 20-25 Minuten verfügbar gemacht werden. Sehgeschädigte müssten die erzeugte PDF-Datei allerdings noch per OCR umwandeln und dann auf Bildschirm oder per Sprachausgabe, notfalls auf die Braillezeile ausgeben.
Seit kurzem gibt es in der Universitätsbibliothek, Raum Nr. 1.043 eine Computeranlage mit Windows 7-Betriebssystem, Sprachausgabe Jaws 12.0, Braillezeile, Kamera und Flachbettscanner. Näheres auf den Webseiten der Universitätsbibliothek.
Jedwede Fachbibliothek mit technischem Spezialgerät auszustatten, ist illusorisch. Eine Alternative zu teuren und stationären Geräten sind portable Lesegeräte, die man den Studierenden leihweise überlassen könnte: zum Beispiel FarView der Firma Optelec, die auch die verschiedenen Spezialbibliotheken erschließen würde, ohne dort eigens kostenintensive und wenig genutzte Anlagen zu installieren. Eine Entscheidung darüber sollte in absehbaerer Zeit fallen.
II. Barrierefreiheit, Nachteilsausgleich
Neben der technischen Ausstattung zur Behebung oder Milderung von Barrieren gibt es zahlreiche Gebiete, auf denen ein Nachteilsausgleich stattfinden kann:
- Sonderregelungen bei der Ausleihe
- Spezialnutzung nicht ausleihbarer Bestände
- Digitalisierung und Scan-Helfer
- Verlängerung von Klausuren-Niederschriften, erweiterte Vorbereitungszeit, Umwandlung von Klausuren in Hausarbeiten u.v.a.
- Regelungen bei der Präsenz in Kursen, Verlängerung des Studiums insgesamt
III. Schlüsselqualifikationen
Schlüsselqualifikationen für Blinde und Sehbehinderte zu vermitteln, ist ein besonderer Schwerpunkt des Projekts. Er vermittelt den Sehgeschädigten die Dringlichkeit des Erwerbs im Allgemeinen wie die Qualifikationen selbst. Was als Schlüsselqualifikation zu gelten hat, hängt für die Sehgeschädigten auch von der künftigen Berufsrichtung ab. Die Besonderheit besteht bei Behinderten im Weg des Erwerbs. Sachgerechte Lehre ergreift Maßnahmen, fehlende Schlüsselqualifikationen ungeachtet der Behinderung dennoch zu erreichen:
- Medienkompetenz: Der Computer ist heute mehr und mehr zum Nadelöhr geworden, vermittels dessen Kommunikation und wissenschaftliche Betätigung auch für Sehgeschädigte möglich sind. Gemeint sind also weniger die Techniken der Medienkritik oder der Mediengestaltung, wohl aber Medienkunde und Mediennutzung. Im Fokus stehen die Erleichterungen, die neue Medien wie Internet und Multimedia für Sehgeschädigte eröffnen, wie auch die damit neu auftretenden Probleme.
- Methodenkompetenz: Für Blinde und Sehbehinderte bedeutet eine Schulung in Methodenkompetenzen vor allem verschärftes Zeitmanagement. Darin eingeschlossen ist die rasche Bewältigung großer Textmengen.
- Selbstkompetenz: Der Umgang mit der eigenen Behinderung muss offensiv und ziel- bzw. erfolgsorientiert sein. Es ist gewiss problematisch, den blinden und sehbehinderten Studierenden eine Art der Schlüsselkompetenz anzubieten, die sehr ins Persönliche des Einzelnen eingreift. Dennoch lohnt sich der Versuch.
- Sozialkompetenz: Interaktion mit Normalsehenden, die größtenteils visuell orientiert sind, Problem der Teamfähigkeit, Affekt-Kompetenzen und psychologische Einsichten, Konfliktmanagement auf der Basis der Behinderung.
IV. Arbeitsleben und Beruf
Die Probleme von Sehbehinderten und Blinden, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fas-sen, ähneln jenen der Behinderten allgemein. Sehbehinderte und Blinde erhalten signifikant seltener als Normalsehende die Gelegenheit, sich innerhalb eines Praktikums auf ihre Eignung hin testen zu lassen. Auch steht ihnen ein geringeres Sortiment an möglichen Berufen zur Auswahl.
Für die Sehgeschädigten ist es jedoch wichtig, dass sie den Kontakt zu potenziellen Arbeitgebern suchen, um die Voreingenommenheit zu überwinden. Ziel der Einrichtung für sehgeschädigte Studierende ist es, auf individueller Basis schon während des Studiums auf die künftigen, den Studierenden meist nicht bewussten Probleme aufmerksam zu machen, die berufsbezogenen Schlüsselqualifikationen zu vermitteln und auf zügige Integration in den Arbeitsmarkt hinzuwirken.
Die Einrichtung soll allerdings keine Leistungen anbieten, die denjenigen der Arbeitsagentur oder anderen berufsintegrationsfördernden Einrichtungen vergleichbar wären. Das Projekt cernetzt sich mit der ZAV Bonn, dem Berufsförderungswerk Würzburg,, dem Bayerischen Blinden- und Sehbehindertenbund u.a. Universitätsintern steht die Ressource des Career Service zur Verfügung, die auf Betreiben des Projektes einen Fokus auf Sehbehinderte legt.
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Wolfgang Krebs