Seminar

Das Dionysische in den Musikdramen des Fin de siècle

SS 2001
[Frankfurt-Main, Universität]

Arbeitsplan und Material

1.Einführung in die Problematik
2.Beispiele des Dionysischen in der Musik
Nietzsche-Vertonungen: Mahlers Dritte Symphonie, Frederick Delius' Mass of Life, Richard Strauss' Also sprach Zarathustra und die Alpensymphonie
3.Décadence und dionysischer Zustand (I): Der kommende Gott
R.1Richard Strauss' Salome
4.Décadence und dionysischer Zustand (II): Erlösung als Vernichtung
R.2Richard Strauss' Elektra
5.Dionysos in der Renaissance
R.3Violanta von Erich Wolfgang Korngold
6.Das Dionysische als Romantik
R.4Soziale und dionysische Wirklichkeiten in Frederick Delius' A Village Romeo and Juliet
Exkurs: Auferweckung und Liebestod in Erich Wolfgang Korngolds Das Wunder der Heliane
7./8.Dionysos als Antichrist
R.5Das Dionysisch-Antichristliche in Paul Hindemiths Sancta Susanna
König Roger von Karol Szymanowski
9.Das Dionysische und der elan vital
R.6Ariadne auf Naxos von Richard Strauss
10./11.Krankheit und Übermenschentum im dionysischen Kontext
R.7Die Gezeichneten von Franz Schreker
Exkurs: Irrelohe - Schrekers Gezeichneten noch einmal?
12.Apollinisch und Dionysisch
(Richard Strauss' Dafne)

 

Beschreibung

Die Idee des Dionysischen zählt vermutlich zu den entscheidenden Ereignissen der abendländischen Geistesgeschichte. Sie verbindet sich vorrangig mit dem Namen des Philosophen Friedrich Nietzsche. Indes läßt sich unschwer nachweisen, daß die Idee des Dionysischen, die Vorstellungen der Wiederkehr einer antiken Gottheit, keineswegs erstmals bei Nietzsche zu lesen ist. Anschauungen der Frühromantik um 1800 gingen voraus und haben denn auch ihren Eindruck auf den 'Jünger des Dionysos' (so Nietzsche über sich selbst) nicht verfehlt.

Komponisten von Musikdramen um und nach 1900 haben in vielfältiger Weise die Idee des Dionysischen in ihren eigenen Werken reflektiert. Mit nur geringer Übertreibung ließe sich sagen, daß diese Idee bei ihnen annähernd so wichtig genommen wurde wie das Erlösungsmotiv durch Richard Wagner. Die Vorzeichen, unter denen dies geschah, waren allerdings unterschiedlich. So figurierte das Dionysische auch in der Zeit nach Nietzsche - der diese Idee vom Romantischen abgrenzte - durchaus auch noch als romantische Grundhaltung (Delius, Korngold). Ferner meinte das Dionysische ein Moment der Entgrenzung, sei es aus bedrückender gesellschaftlicher Enge (Korngold, Violanta) oder aus lebensfeindlicher Umgebung (Strauss, Elektra). Das Dionysische oszillierte sodann auf merkwürdige Weise zwischen dem Status als Gegenbegriff zur Décadence und als deren höchste Form. Krankheit und Übermenschentum kennzeichneten dionysisches Verhalten gleichermaßen (Schreker, Gezeichneten). Schließlich wurde, unter dem Einfluß Nietzsches, Dionysos zum Antichristen; auch diesbezüglich lassen sich in den Musikdramen des frühen 20. Jahrhunderts deutliche Hinweise ermitteln.

Das Seminar wird an geeigneten Beispielen die Wirksamkeit der Idee des Dionysischen in den Musikdramen des Fin de siècle erweisen, und versucht damit, einen Beitrag zur Korrektur einer musikgeschichtlichen Verzerrung zu leisten. Arnold Schönberg, der lange Zeit die Aufmerksamkeit der Musikgeschichtsschreibung beanspruchte, war indes ein zwar höchst bedeutsames, aber nicht das 'eigentliche' Ereignis in der Musik des frühen 20. Jahrhunderts. Mit der Idee des Dionysischen nahmen die - heute zum Teil vernachlässigten - Komponisten der Zeit zwischen 1900 und 1920/30 Anteil an einem Vorstellungskomplex, der bis heute fortwirkt. Das Interesse an den Werken dieser Künstlergeneration darf daher durchaus aktuell genannt werden.

 

Materialien

 


 


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Wolfgang Krebs